Wittmann: „Ja zur Regelsatzerhöhung, Nein zum sozialpolitischen Systemwechsel“

Der Bundestag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition das „Bürgergeld“ beschlossen. Die CDU/CSU-Fraktion stimmte dagegen. Es ist zu erwarten, dass auch der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen wird. Damit wird es ein Fall für den Vermittlungsausschuss.

Warum sträubt sich die Union gegen das Projekt?

Mechthilde Wittmann, MdB: Das Bürgergeld ist zunächst ein gefällig gewählter Titel für einen Systemwechsel, der den ersten großen Schritt hin zum bedingungslosen Grundeinkommen einleitet. Das ist für jeden fleißig arbeitenden Bürger ein Hohn. Wir wollen, dass sich Fördern und Fordern die Waage halten. Der Arbeitskräftemangel in Deutschand belastet inzwischen nahezu die gesamte Wirtschaft. Bei rund 1,9 Millionen unbesetzten Stellen und 2.442.000 arbeitslos gemeldeten Menschen, ist es schlicht falsch, Nichtarbeit attraktiver zu gestalten. Wir müssen alles dafür tun, Menschen in Arbeit zu bringen, auch vielleicht sogar über das hinaus, was sie selbst brauchen – weil die Gesellschaft uns alle braucht. Das Sozialgesetzbuch II (SGB II) ist eine hervorragende Grundlage für die Hilfe für Arbeitslose in der Grundsicherung

Statt der Einführung des Bürgergeldes wollen Sie lieber beim SGB II nachbessern. Warum?

Das SGB II – und damit verbunden das Prinzip des Förderns und Forderns – hat sich in den vergangenen 17 Jahren bewährt. Aber es muss der veränderten Wirtschaftslage angepasst werden. Durch verbesserte Vermittlung und individuelle Beratung sowie Strukturverbesserungen wollen wir die Menschen noch besser dabei unterstützen, eine Arbeit zu finden. Denn nur mit der Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit kann Hilfebedürftigkeit nachhaltig beendet und das Herausfallen aus geregelten Lebensabläufen abgewendet werden.

Wir alle können stolz auf unseren starken Sozial-staat sein. Die Grundlage unserer Politik ist das christliche Menschenbild, dazu gehören die Freiheit und Verantwortung jedes Einzelnen ebenso wie Solidarität. Hilfe durch die Gemeinschaft in Notlagen ist richtig und wichtig. Doch die Sozialleistun-gen müssen auch erarbeitet werden, und das können nicht immer weniger für immer mehr Geldempfänger leisten.

Den Fachkräftemangel konnte aber das SGB II nicht verhindern. Wo wollen Sie ansetzen?

Der Fachkräftemangel hat mit dem SGB II nichts zu tun. Derzeit stehen wir vor der Herausforderung, die Fachkräfte im Land zu halten, die längst erkannt haben, dass in anderen Ländern eine geringere Steuer- und Abgabenlast, eine vernünftige Energiepolitik mit moderaten Preisen und ein liberaler Staat ohne grüne Gängelungen weit attraktiver sein kann. Und gleichzeitig muss das wirklich passgenaue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz endlich gut umgesetzt werden. Derzeit hapert es doch in aller erster Linie an der völlig desaströsen und unzureichenden Vergabe von Terminen zur Unterlagen-prüfung in den Botschaften und Konsulaten – übrigens in der Verantwortung des Auswärtigen Amts, das seit mehr als 55 Jahren ausschließlich von Politikern aus den heutigen Ampelpartnern geführt wird. Das ist ein eklatantes Organisationsversagen, das nunmehr für unsere Wirtschaft zur schweren Bürde wird.

Also Nein zum Bürgergeld, Ja zur Regelsatzerhöhung?

Genau. Die Regelsätze reichen bei den aktuellen Preisentwicklungen nicht mehr aus. Hier muss jetzt nachgebessert werden. Doch das geht auch im SGB II. Es ist völlig unverständlich, dass diese notwendige Sofortmaßnahme für Bedürftige ausgerechnet von den „Erfindern“ des wohlklingenden „Bürgergeldes“ nicht angenommen wurde.

Derzeit muss davon ausgegangen werden, dass auch die Mehrheit der Länder diesen sozialpolitisch völlig falschen Ansatz im Bundesrat ablehnen wird. Denn die Abschaffung von Sanktionen und hohe Schonvermögen sind der großen Mehrheit der fleißigen Steuerzahler einfach – und zu Recht – nicht zu vermitteln. Hier haben wir übrigens auch das Handwerk, den Städtetag, Stimmen aus der Bundesagentur für Arbeit und nicht zuletzt den Bundesrechnungshof auf unserer Seite.

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